SNB-Entscheid wirkungslos
Franken-Höhenflug setzt sich fort – auch bei Nullzins
Der Schweizer Franken trotzt der Zinspolitik: Anleger strömen in die Schweizer Währung. Daran ändert auch die Zinssenkung der SNB nichts.
- Schweizer Franken bleibt stark trotz Zinssenkung.
- Geopolitische Risiken treiben Nachfrage nach Franken.
- Banken kämpfen mit Nullzins, aber bleiben stabil.
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Während Märkte weltweit nervös auf die Zinsentscheide der großen Zentralbanken blicken, scheint eine Währung unbeirrt ihren eigenen Weg zu gehen: der Schweizer Franken. Die Devisenexperten von Wall-Street-Giganten wie JPMorgan, Goldman Sachs und Morgan Stanley sehen die eidgenössische Devise weiter aufwerten – selbst nachdem die Schweizerische Nationalbank (SNB) am Donnerstag den Leitzins auf null gesenkt hat.
Was normalerweise ein Alarmsignal für Kapitalabflüsse wäre, wirkt bei der "sichersten Zuflucht" unter den Währungen genau umgekehrt. Die geopolitischen Spannungen – vom Nahost-Konflikt bis zu Donald Trumps Handelszöllen – machen den Franken zum Zufluchtsort in einem zunehmend unsicheren globalen Umfeld. Bereits jetzt steht die Währung nahe ihres Höchststands der vergangenen zehn Jahre, sowohl gegenüber dem Euro als auch dem US-Dollar.
Goldman Sachs hält fest, dass "globale Treiber für den Franken aktuell wichtiger sind als die heimische Geldpolitik". Selbst bei einer Rückkehr in den negativen Zinsbereich dürfte der Aufwertungsdruck anhalten. JPMorgan rechnet damit, dass selbst eine moderate Lockerung um 25 Basispunkte auf null dem Franken kurzfristig sogar noch Auftrieb geben könnte, da viele Marktteilnehmer mit einem noch stärkeren Schritt gerechnet haben. Genau dies hat sich am Donnerstagvormittag auch gezeigt.
Tatsächlich scheint die Wette auf weitere Franken-Gewinne unter institutionellen Anlegern längst zu laufen: Laut aktuellen Positionierungsdaten der Depository Trust & Clearing Corporation (DTCC) haben Hedgefonds ihre Long-Positionen auf den Franken auf den höchsten Stand seit fast vier Jahren ausgeweitet. Dabei wirkt die Währung inzwischen beinahe wie ein Stellvertreter für Gold – vor allem in Phasen politischer Eskalation.









Hinzu kommt ein zunehmend deflationäres Umfeld in der Schweiz. Die Teuerungsrate ist zuletzt unter null gefallen, und auch die Erzeuger- und Importpreise gingen im Mai weiter zurück. Das Schweizer Wirtschaftsforschungsinstitut KOF hat daraufhin seine Inflationsprognose für 2025 auf 0,2 Prozent gesenkt.
Selbst wenn die SNB die Zinsen in Zukunft noch einmal senken sollte und auf negatives Terrain vorstößt, könnte dies den Franken den Experten zufolge nur kurzfristig schwächen. Mittelfristig dürfte aber selbst das kaum an der übergeordneten Aufwertungsdynamik rütteln. Ein weiterer Zinsschritt, auch noch in diesem Jahr, ist durchaus möglich.
Die SNB steht vor einem Dilemma: Einerseits zwingt die konjunkturelle Lage zu einem expansiven Kurs, andererseits provoziert jede Intervention gegen den starken Franken möglichen Ärger mit den USA, die die Schweiz bereits auf ihre Beobachtungsliste für Währungsmanipulation gesetzt haben. Interventionen am Devisenmarkt sind daher politisch heikel.
Der aktuelle Leitzins von null stellt zudem die Schweizer Banken vor neue Herausforderungen. "Ein dauerhafter Nullzins ist das schlimmste Szenario für Banken", sagte ZKB-Analyst Ausano Cajrati Crivelli vor der Zinsentscheidung gegenüber Bloomberg. Denn das nimmt den Instituten die Möglichkeit, Zinsen auf Einlagen zu bieten, ohne gleichzeitig die Legitimation, Strafzinsen zu verlangen.
Doch viele Häuser – allen voran die großen Vermögensverwalter – haben das Umfeld negativer Zinsen in der Vergangenheit erstaunlich gut überstanden. Laut SNB war 2023 sogar das umsatzstärkste Jahr in der Geschichte der Schweizer Banken.
Die erste Reaktion des Franken nach dem Zinsschritt am Donnerstag macht den Trend deutlich. Trotz Zinssenkung legt die Schweizer Währung sowohl gegenüber dem Euro als auch dem US-Dollar zu. Die Experten sind sich einig: Die strukturelle Stärke der Währung dürfte bestehen bleiben. Gründe dafür sind nicht nur geopolitische Risiken, sondern auch fundamentale Faktoren wie die deutlich niedrigere Inflation im Vergleich zur Eurozone. Langfristig macht das die Schweiz wettbewerbsfähiger und den Franken noch attraktiver. Die SNB mag die Zinsen weiter senken, aber sie wird die Flucht in den sicheren Hafen kaum stoppen können.
Autor: Ingo Kolf, wallstreetONLINE Redaktion
